Der heilige Apostel Paulus

Lindenholz, gebeizt und lackiert, jetzt freigelegt, ursprünglich polychrom und vergoldet; Reste von Kreidegrund und Spuren der ursprünglichen Polychromie mit Vergoldung erhalten; Höhe 187 cm;
Rheinischer oder niederländischer, burgundischer Bildhauer ?, 1. Viertel des 15.
Studie von Dr. Jakub Sito liegt bei.

Eine herausragende gotische Skulptur, die in deutschen Kreisen entstanden ist; sie stellt den heiligen Paulus dar, wovon die Geste der linken Hand zeugt, die ursprünglich ein Schwert hielt (die kreisförmige Öffnung im Sockel ist ein zweiter Beleg dafür). Die großformatige Skulptur hing höchstwahrscheinlich an einem Pfeiler des Kirchenschiffs als Teil eines Skulpturenzyklus von Aposteln, der für größere Kirchen in dieser mittelalterlichen Zeit typisch war. Sie ist ein hervorragendes Beispiel für die Spätphase des Internationalen Stils, wie die Proportionen des Körpers, der Typus des idealisierten, etwas abgeflachten Gesichts und vor allem die Form des Faltenwurfs zeigen, der in parallelen, weich angeordneten, gleichsam ornamentalen Falten fließt, die parallele Falten und wenige Falten enthalten. Der runde Sockel, der mit bestimmten Blumenarten bedeckt ist, ist wiederum ein Beispiel für das gesteigerte Interesse an der Natur, das für die erste Hälfte des 15.
"Dieses in Europa herausragende Werk weist eindeutig auf einen bestimmten geografischen Kreis als Ort seiner Entstehung hin. Denn die Figur muss meines Erachtens in einem der bildhauerischen Zentren des breiten geographischen Gürtels zwischen Maas, Mosel und Rhein entstanden sein, wo die Kunst des 1. Viertels des 15. Jahrhunderts von der künstlerischen Kultur Burgunds am Ende des 14. und zu Beginn des folgenden Jahrhunderts geprägt wurde. Die elegante Anordnung der Falten des Mantels, vor allem die Schreibweise an den Falten und das Verstecken unter den oberen Falten, sowie die parallelen Falten erinnern stark an die Lösungen, die der bedeutendste burgundische Bildhauer, der aus Dijon stammende Claus Sluter (um 1355-1406/1405), eingeführt hat. Sluter beeinflusste eine ganze nachfolgende Generation von zumeist anonymen Bildhauern, die sowohl in Burgund als auch in den Niederlanden und in den westdeutschen Ländern jenseits des Rheins tätig waren. Neben Elementen des so genannten "schönen Stils", der für die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts charakteristisch war und um 1400 seinen Höhepunkt erreichte, mit der für diesen Stil typischen Eleganz, Anmut, Anziehungskraft und Höflichkeit der Posen und Gesten, kann man in der hier behandelten Paulus-Skulptur auch den naturalistischen Faktor beobachten, der im 15. Jahrhundert in der Skulptur des Heiligen Paulus aufkam, wie zum Beispiel die stark behaarten Hände, die knöchernen Zehen und das bereits erwähnte Interesse an der Flora (bestimmte Blumenarten auf dem Sockel)."
[Auszüge aus dem Gutachten von Dr. Jakub Sito].