Wojciech WEISS (1875-1950), Am Brunnen - Frühlingsrituale, ca. 1907

Öl, Karton; 33,5 x 32 cm;
signiert l. d.: WW;
rückseitig ein ovaler Stempel mit umlaufender Inschrift: AUS DER SAMMLUNG DER WERKE VON WOJCIECH WEISS. THE ARTIST'S HOUSE mit einem Faksimile des Künstlers in der Mitte; darunter die Nummer 000588 und die Nummer 4.

Die um 1907 entstandene Komposition zeigt die Frau des Künstlers mit einem Hut in der Hand und drei rätselhafte Figuren, die sich an einem Brunnen in der Nähe des Kalvarienberghauses treffen. Die hölzerne Struktur, die die Quelle inmitten der Felder säumt, taucht mehrmals in Weiss' Werk auf. Diesmal ist die Szene jedoch Teil einer Jungpolen-Symbolik, deren Bedeutung man zu entschlüsseln versuchen kann.
In Anbetracht der zahlreichen Volksmärchen und Fabeln, die von dämonischen Wesen erzählen, die in den Tiefen eines Brunnens hausen, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich hinter dieser Komposition eine Vielzahl von Interpretationen verbirgt. Wie wir alle wissen, ist die Öffnung des Brunnens ein Weg ins Jenseits und wird zum Symbol des Übergangs.
Der Künstler stellt seine junge Frau an die Quelle, vielleicht weil das Wasser Fruchtbarkeit und Wiedergeburt symbolisiert. Vielleicht ist es aber auch nur eine Fortsetzung der Tradition von Darstellungen junger schöner Frauen am Brunnen. Beide Interpretationen sind wahrscheinlich.
Schließlich ist noch ein in unserer Kultur tief verwurzelter Mythos zu erwähnen, wonach der Brunnen eine Art Bindeglied zwischen der irdischen und der jenseitigen Welt darstellt und das aus einer tiefen Quelle sprudelnde Wasser lebensspendende Kraft besitzt, aber auch Angst und Furcht vor dämonischen Kräften auslöst.
Erwähnenswert ist auch, dass das Motiv des Brunnens die Künstler des jungen Polens besonders fasziniert hat, man denke nur an Jacek Malczewskis hervorragende Gemäldeserie, die auf volkstümlichen Traditionen beruht, oder an Lucjan Rydels Gedichte, die dem vergifteten Brunnen gewidmet sind.