Karolina Poliakova, Ohne Titel aus der Serie Urban Collages, 2020

Digitaldruck, Papier, 70 х 70 cm

Die Collage als künstlerische Technik wird von mir als Versuch genutzt, die wahrgenommene Realität zu vertiefen. Meine visuelle Erfahrung als Einwohner von Belarus umfasst Felder oder malerische Waldlandschaften, über denen sich künstliche Berge in Form von hohen Wolkenkratzern menschlicher Existenz - Häuser - erheben. Das Reisen in Ecken der Welt jenseits der üblichen Landschaften hat es mir ermöglicht, meine Augenmuskeln zu entwickeln und die Erde in ihren verschiedenen Formen, Größen und Entfernungen wahrzunehmen. Das Gedächtnis bewahrt unvollkommene Spiegelungen von Gefühlen und Sichtbarem, und das Unterbewusstsein mischt alles zusammen und schickt es uns später in Träumen. Die Collagen sind ein Akt der Erschaffung von Realität aus Fragmenten der Vergangenheit und vermitteln ein Gefühl von unvollständiger Verständlichkeit und Unvollkommenheit des vertrauten Raums aus osteuropäischen Träumen. Die Collagen setzen sich aus Fotografien der Autorin zusammen - bewahrte Momente der Gegenwart, die wie in einem Traum zu einer neuen Realität verwoben wurden.

Karolina Polyakova (1992, Lida, Belarus) ist eine Künstlerin, die Fotografie, Video und Collage als Medien verwendet. Sie hat dreimal die Schule und Universität gewechselt und arbeitet seit 2008 im Bereich Fotografie. Im Jahr 2013 zog sie nach Minsk, wo sie durch Autodidaktik und die Arbeit mit digitaler Fotografie und Video ihren Platz im Jugendjournalismus und später auch in der Nachrichtenbranche fand. Sie machte Reportagen über Punk-Rock-Konzerte von Frauen, suchte nach Eulen in der Belovezhskaya Pushcha und fotografierte Musiker in Belarus. Karolina hat immer versucht, Wege zu finden, um Reportagen in der Tiefe darzustellen, was zu der Fähigkeit geführt hat, animierte Berichte über Konzerte und Ausstellungen zu erstellen. Die Verbindung von Musik und visueller Kunst fasziniert die Künstlerin seit ihrer Kindheit, weshalb ihre Karriere auf der Erstellung von Musikvideos für belarussische Musiker basiert: Projekte mit Showbiz-Stars wie Sergei Mikhalok - Lyaпіс-98 und Drezden, 2 Clips der Ethno-Trip-Hop-Gruppe Shuma und ihr neuestes Werk - nostalgische Bilder vom Leben und der Flucht aus Belarus auf einem Fahrrad für die Band Разбитое Сердце Пацана. Seit 2018 erstellt sie Fotocollagen aus Fotografien aus ihrem Archiv, sie hat ihren Stil gefunden, indem sie die Horizonte der osteuropäischen Landschaft erweitert hat. Sie hat an Gruppen- und Einzelausstellungen teilgenommen und ihre Arbeiten auf Plakatwänden in Minsk präsentiert, um die Stadt so zu zeigen, wie sie sie sieht. Ab 2020 ging sie auf eine Geschäftsreise nach Kiew und kehrte nicht mehr nach Weißrussland zurück, sondern arbeitete weiter an ihrem fotografischen Archiv. Seit 2021 lebt sie in Warschau, wo sie weiterhin als Fotojournalistin arbeitet, ihr Fotoarchiv vervollständigt und bearbeitet sowie mit verschiedenen Materialien für die Fotografie und den künstlerischen Ausdruck experimentiert. Ende 2021 gründete sie ihre Marke "Бессмертна" ("Unsterblich"), in der Fotocollagen und semantische Spins ihren Platz finden und Menschen auf der ganzen Welt ansprechen, die mit Belarus verbunden sind. Neben ihrer visuellen Praxis hat sie sich auch der Musik zugewandt - Karolina ist eine der Gründerinnen des im Ausland lebenden Frauenchors "Spievy", zu dessen Repertoire belarussische vorchristliche Lieder gehören.
Heute lebt sie in Warschau und ist weiterhin die Stimme ihrer Generation.